KATRIN JAKOBSEN

ALLES WIRD GUT

17. Oktober 2009 – 10. Januar 2010

Die Ausstellung „alles wird gut" besteht aus Mixed-Media-Installationen, einer Fotoserie und zwei Videos zum aktuellen Thema des Kindesmissbrauchs. Die Idee zu diesem Projekt, so schreibt die in Frankreich lebende und in Hamburg 1958 geborene deutsche Medienkünstlerin Katrin Jakobsen, entwickelte sich aus einer ihrer Fotoserien für das schwedische Magazin Elle 2006 zur UNICEF Hilfe für HIV infizierte Kinder in Thailand und Kambodscha. Jakobsens Recherche konfrontierte sie mit der Realität von Tausenden von verlassenen, missbrauchten und misshandelten Straßenkindern, die ihre Körper an sexhungrige Touristen verkaufen. Diese Bilder verfolgten sie derartig, dass daraus ein mehrjähriges und vielschichtiges künstlerisches Projekt entstand, das nun erstmals in Deutschland in der Sammlung Falckenberg präsentiert wird.

Die 20 großformatigen Fotografien der Ausstellung zeigen Szenen von Gewalt und Missbrauch an Kindern, eine Welt, die sich hinter verschlossenen Türen abspielt. Jakobsen vermeidet in ihren Fotografien die Darstellung von voyeuristischen Szenen. Vielmehr sucht sie eine diskursive Perspektive, bei der sie als Fotografin darstellt, was sich vor und im Anschluss einer Tat abspielt. Die Linse der Fotokamera ist dabei mit einem Präservativ überzogen, so dass die Szenen verschwommen wahrgenommen werden.

Katrin Jakobsens Fotografien sind Abbildungen von Szenen, die sich in ihren Mixed-Media-Installationen abspielen. Die Miniatur-Filmsets hat die Künstlerin selbst ausgearbeitet, mit Innen- und Lichtdesign ausgestattet und bis ins kleinste Detail selbst angefertigt. Sie werden gemeinsam mit den Videos und den Fotografien zu einem raumumgreifenden Gesamtprojekt zusammengefügt.

Die Ausstellung zeigt weiter den Projektraum der Künstlerin. Dort wird in Form einer umfassenden Dokumentation Zeugnis über die Recherchen und sonstigen Aktivitäten der Künstlerin im Zusammenhang mit ihrer Arbeit zum Thema des Kindesmissbrauchs abgelegt. Die Künstlerin hat von der Fotoserie eine Reihe von Postern angefertigt, mit denen sie als „Street Art Worker" Werbeflächen im öffentlichen Raum überklebt. Die illegalen Aktionen sind fotografisch dokumentiert und werden in der Ausstellung gezeigt.

Harald Falckenberg: „Es ist die Haltung des Widerstands, die mich spontan dazu veranlasst hat, Katrin Jakobsen mit ihrem Projekt parallel zu einer Ausstellung mit Videoarbeiten des renommierten Künstlers und Theatermachers Robert Wilson einzuladen. Das Werk des 68jährigen heute in New York lebenden Texaners vereint eine breit gefächerte Vielfalt von Medien - Bühnendesign, Choreografie, Licht, Skulptur, Musik und Text - zu einem Ganzen. Die Gegenüberstellung ist spannungsreich. Auf der einen Seite die Arbeit eines Vertreters der Counter Culture der 50er und 60er Jahre, die mit Drogen, freiem Sex und Flower Power die Tabus einer auf Kommerz und Krieg ausgerichteten kapitalistischen Gesellschaft durchbrechen und die Kunst aus den Museen - den Wagenburgen des Bildungsbürgertums und nationaler Symbole - herausholen und im alltäglichen Leben einer antiautoritären und humanen Alternativgesellschaft verankern wollte. Auf der anderen Seite die Arbeit einer Künstlerin, die 50 Jahre später in der Welt heute Protest formulieren und Widerstand leisten will - und dabei ganz neue Wege gehen muss.

Die Utopien der Counter Culture sind verflogen. Wenn Joseph Beuys in den siebziger Jahren noch hoffnungsvoll verkünden konnte: ‚Jeder Mensch ist ein Künstler', skandierte der Neo-Dadaist Martin Kippenberger kaum zehn Jahre später in bester Punk-Manier: ‚Jeder Künstler ist ein Mensch.' Drogen, freier Sex, Homosexualität und Hippietum? Sie sind als rebellische Projekte von Mode, Werbung, Medien und einer postmodernen Gesellschaft, in der alles geht, längst aufgesogen und mehrfach vermarktet worden. Sex - heute auf fast allen TV-Kanälen; Homosexualität als Protest gegen die bürgerliche Kleinfamilie - heute eine Frage der ehelichen Anerkennung mit Versorgungsausgleich; Drogen als Bewusstseinserweiterung - heute landläufige Mittel des Zudröhnens und Verdrängens; die Museen - sie haben sich längst geöffnet für die Protagonisten des Crossover, der Dienstleistungs- und Mitmachkunst, es wird dort gekocht und getanzt, lange Nächte der Kunst sind angesagt.

Seit Ende der 60er Jahre wird der Kampf gegen das Subjektive gefochten, bahnbrechend die Schriften der französischen Poststrukturalisten Roland Barthes (1967) und Michel Foucault (1973) über den "Tod des Autors". Der Zustandsbericht über die heutige Kunst ist ernüchternd. Wir sehen erschöpfte Künstler, die sich als ‚Cultural Worker' der Kulturindustrie und dem Imperativ reibungslosen Funktionierens unterwerfen. Es erscheint unabweisbar, den Künstler als Subjekt und Person des Widerstands neu zu entdecken. Als Kunst der Macht marginalisiert sich die Kunst. Sie muss sich als Gegenmacht unter Bewahrung des Spezifischen und des Eigensinns der Kunst manifestieren.

Katrin Jakobsens Arbeit zum Kindesmissbrauch ist ein solches Projekt. Kein direktes politisches Statement und auch kein emotionaler Appell an die Befindlichkeit unserer Gesellschaft, sondern eine differenzierte und komplexe Auseinandersetzung mit eben den spezifischen und eigensinnigen Mitteln der Kunst. Katrin Jakobsen: ‚Ich möchte eine gründliche Befragung dessen, was und wie wir sehen, erreichen'. Das ist ihr gelungen."

Die Hompage von Katrin Jakobsen